In „Ausgerechnet Sylt“ von Thomas Herzberg wird der Szenenwechsel von der hektischen Stadt in die beschaulichen Landschaften Nordfrieslands zu einem spannenden Kulisse für einen fesselnden Krimi. Die Hauptkommissarin Hannah Lambert, welche mit ihrer frischen, aufgeschlossenen Art gleich zu Beginn des Buches besticht, wird mit dem rätselhaften Mord an einem Notar im Ruhestand konfrontiert – eine dauerte Reise, die zunächst scheinbar nichts mit dem Mord zu tun hat, bis die Fäden der Vergangenheit untrennbar mit dem Geschehen in der Gegenwart verknüpft werden.
Der Autor schafft es, die kühle, raue Schönheit von Sylt lebendig werden zu lassen. Man spürt den Wind, die salzige Luft und die zerklüfteten Küsten, während man Seite um Seite umblättert. Herzbergs Beschreibungen sind so präzise, dass man beim Lesen das Gefühl hat, selbst entlang der Strände zu wandern, mit einem Blick auf die majestätischen Dünen und das weite Meer. Die Geräusche der Natur, die in die ruhigen Passagen eindringen, kontrastieren direkt mit der brisanten Dramatik, die die Geschichte durchzieht.
Die Charaktere sind mehrdimensional und durch ihre Interaktionen wird die Dynamik des Ermittlerduos, Hannah und ihr Kollege Sven-Ole, besonders spürbar. Sven-Ole, mit seinem sorgfältigen, manchmal schüchternen Auftreten, bildet einen interessanten Kontrast zu Hannahs lebhaftem Wesen und vermittelt dem Leser sowohl die Spannung der ersten Begegnungen als auch die schrittweise wachsende Beziehung zwischen den beiden. Ihre Entwicklung ist nicht nur auf die grundsätzlich zielgerichtete Jagd nach dem Mörder beschränkt; vielmehr offenbart sich dabei auch eine persönliche Reise, die das jeweilige Innenleben der Charaktere reflektiert.
Die Handlung selbst entfaltet sich in einem geschickten Spiel aus Wendungen und überraschenden Enthüllungen, die zum Miträtseln einladen. Herzberg versteht es, geschickte Hinweise zu streuen, die im Nachhinein die Puzzlestücke der Geschichte in ein schlüssiges Gesamtbild verwandeln. Die Ermittlungen sind sorgfältig ausgearbeitet und die Abgründe, die sich hinter den beschaulichen Fassaden auftun, sind interessant und düster zugleich.
Besonders bemerkenswert ist der unaufdringliche Umgang des Autors mit seiner Erzählstimme. Er verzichtet auf klischeehafte Formulierungen und überflüssige Action; stattdessen richtet sich das Augenmerk auf die Charaktere und ihre psychologischen Herausforderungen sowie die Geheimnisse, die zwischen den Zeilen verborgen liegen. Herzberg bleibt in seiner Erzählweise nahe an der Realität, was den Leser dazu anregt, die Charaktere wirklich zu verstehen und sich in deren Gedankenwelt hineinzuversetzen.
Insgesamt ist „Ausgerechnet Sylt“ ein gelungenes Debüt in der Friesenkrimi-Reihe. Mit einem solidem Plot, ergreifenden Charakteren und einer authentischen Atmosphäre entführt Thomas Herzberg seine Leser in das unverwechselbare Flair der Nordsee und lässt einen mit dem Verlangen zurück, mehr über die kommenden Abenteuer von Hannah Lambert zu erfahren. Es ist ein Buch, das sowohl Krimifans als auch neuen Lesern viel zu bieten hat, ohne sich in Beliebigkeit zu verlieren.
