Exklusive Einblicke in geheime Beraterberichte der Bundesregierung
Hamburg (ots) – Gemeinsame Recherchen der ARD-Sendung „Reschke Fernsehen“ und der Recherche- und Transparenzplattform „FragDenStaat“ geben exklusive Einblicke in die Vergabe von Steuermilliarden an externe Beratungsfirmen durch die Bundesregierung. Die monatelangen Recherchen zu staatlichen Beratungsaufträgen zeigen: Viele Berichte, mit denen die Bundesregierung eigentlich Transparenz und Kontrolle über ihre Beratungsaufträge schaffen soll, sind fehlerhaft, unvollständig und intransparent.
Beraterberichte aus den Jahren 2017 bis 2023 veröffentlicht
Zur Recherche veröffentlicht „FragDenStaat“ nun alle Beraterberichte der Bundesregierung aus den Jahren 2017 bis 2023 unter fragdenstaat.de/beraterberichte.
Kritik an der Namensnennung der Beratungsfirmen
Aus den Recherchen ergeben sich etliche Kritikpunkte an den Beraterberichten: So werden bei durchschnittlich einem Drittel der Beratungsprojekte von 2017 bis 2023 nicht die Namen der Firmen angegeben, die mit Steuergeldern bezahlt wurden. Zwar verlangt der Haushaltsausschuss die Namensnennung, ob das tatsächlich umgesetzt wird, liegt allerdings in der Verantwortung der Ministerien. Im aktuellen Bericht von 2023 fehlt ein Fünftel der Namen. Und so bleibt in Teilen unklar, wer die Regierung berät. In diesen Fällen gibt es keine ausreichende Kontrolle, ob Aufträge und Gelder korrekt vergeben wurden.
Unstimmigkeiten bei Kostenaufstellungen
Die Recherchen offenbaren zudem Unstimmigkeiten bei den Kostenaufstellungen für Beratung in etlichen Ministerien. Beim Nachrechnen ergeben sich Fehlsummen von bis zu einer Million Euro. Das kritisiert auch der Bundesrechnungshof. Er schreibt etwa zum Beraterbericht 2021, die Datenqualität sei „mangelhaft“.
Änderungen bei der Definition von Beratungsleistungen
Ab 2020 tauchen bestimmte Ausgaben für Beratungsfirmen nicht mehr in den Berichten auf. Denn die Bundesregierung änderte die Definition dafür, was als Beratungsleistung zählt. Ausgaben für juristische Beratung etwa werden nun nicht mehr angegeben. Steuerfinanzierte Zahlungen im dreistelligen Millionenbereich verschwinden so.
Abhängigkeit von Beratungsfirmen im Digitalisierungsprojekt
Es zeigt sich anhand der Berichte eine weitere Auffälligkeit: So hat das Bundesinnenministerium für das größte Digitalisierungsprojekt der Polizei, das Projekt „Polizei 2020“, die Gesamtleitung an eine einzelne Beratungsfirma ausgelagert. Damit besteht die Gefahr einer großen Abhängigkeit in einem hochsensiblen Sektor.
Beratungsbranche im öffentlichen Sektor
Zum Hintergrund: Mehr als 4 Milliarden Euro verdient die Beratungsbranche jährlich im öffentlichen Sektor. Laut einer Schätzung von Wirtschaftswissenschaftler Professor Thomas Deelmann von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW arbeiten durchschnittlich 2.600 Beraterinnen und Berater am Tag für die Bundesregierung. Dabei geht es unter anderem um Digitalisierung oder die Verbesserung von Arbeitsprozessen. Für die Öffentlichkeit ist vieles davon kaum nachvollziehbar.
Das Bundesfinanzministerium erstellt jährlich einen Beraterbericht, der in nichtöffentlichen Sitzungen des Haushaltsausschusses besprochen wird. Der Bundesrechnungshof hat sich bereits im November 2023 in einem ausführlichen Prüfbericht kritisch mit der intransparenten Praxis der Bundesregierung auseinandergesetzt und unter anderem dafür ausgesprochen, die Beraterberichte der letzten Jahre zu veröffentlichen – bislang ist das nicht geschehen.
Weitere Informationen
Mehr zur Recherche heute Abend bei „Reschke Fernsehen“ um 23:35 Uhr in Das Erste oder ab sofort in der ARD Mediathek. Bei der Sendung mit dabei: Schauspielerin Julia Richter und „Discounter“-Star Ludger Bökelmann.
Foto von Moritz Kindler auf Unsplash
Original-Content: news aktuell