Putin versteht nur die Sprache der Stärke
Hamburg – Der Leiter des Ukraine-Sonderstabs im Bundesverteidigungsministerium, Christian Freuding, dämpft fast 1000 Tage nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Kampfhandlungen. “Wir können nicht erkennen, dass Russland seine Kriegsziele verändert hat”, sagt der Generalmajor im Exklusiv-Interview mit dem NDR Info Podcast “Streitkräfte und Strategien”. Diese Ziele lägen “am Ende in der Zerschlagung einer freien demokratischen Ukraine. Zumindest auf russischer Seite kann ich keinerlei Verhandlungsbereitschaft derzeit erkennen.”
Auf die Ankündigung des designierten US-Präsidenten Donald Trump, den Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, äußert Freuding: “Das wird sehr anspruchsvoll.”
Militärische Lage angespannt
Die militärische Lage in der Ukraine bezeichnet Freuding als “angespannt”: “Russland ist im Prinzip an allen Frontabschnitten in der Initiative und kommt auch bei Gebietsgewinnen voran. Schneller, als wir das vor dem Sommer gesehen haben, insbesondere im Bereich Donbass.” Er rechnet jedoch auf absehbare Zeit nicht mit einem Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigungslinien: “Wir müssen die Ukraine weiter mit aller Kraft unterstützen. Nach 1000 Tagen, nach fast drei Jahren Krieg ist für uns alle klar, dass Putin, dass Russland nur die Sprache der Stärke versteht. Wir müssen alles daransetzen, die Ukraine in eine Position der Stärke zu versetzen.”
Auf Nachfrage zu der Lieferung der Marschflugkörper vom Typ Taurus meint Freuding: “Ich glaube, zu dem Thema ist in Deutschland alles gesagt worden. Jedes Waffensystem ist sinnvoll und kein Waffensystem ist der Gamechanger.”
Russische Bedrohung wächst
Freuding warnt, dass Russland das Land voll auf Kriegswirtschaft umgestellt habe, Munitionsvorräte aufstocke und die russischen Streitkräfte in den nächsten Jahren einen Umfang von bis zu 1,5 Millionen Soldaten erreichen würden. “Russland ist für die NATO und für Deutschland auf absehbare Zeit die größte Bedrohung. Es geht Russland in einem Systemkonflikt um Geltungs- und Gestaltungsanspruch. Es geht darum, den Westen und all das, für das wir stehen, für eine freiheitliche Ordnung, zurückzuwerfen, die Demokratie und die Kohäsion in den westlichen Gesellschaften zu unterminieren.”
Handlungsfähigkeit des Sonderstabs
Trotz der politischen Turbulenzen in Deutschland nach dem Aus der Ampel-Koalition betont der 53-Jährige, dass der Sonderstab Ukraine absolut handlungsfähig sei: “Die Unterstützung, das wissen die Ukrainer auch, läuft, und sie können sich auf Deutschland verlassen.” Freuding merkt an, dass die Unterstützung im Parlament sehr übergreifend sei und die Arbeit mit unveränderter Geschwindigkeit fortgeführt werde. “Wir werden auch am 1. Januar 2025 LKWs in Richtung Polen rollen sehen. Wir werden im ersten Quartal Feuereinheiten für Luftverteidigung an die Ukraine übergeben können. Wir sind bis auf Weiteres handlungsfähig.”
Neues Gesetz zur Wehrpflicht
Um die Personalstärke der Bundeswehr zu verbessern, hatte das Bundeskabinett Anfang November ein Gesetz zur “neuen Wehrpflicht” beschlossen, dessen Zustimmung durch den Bundestag noch aussteht. Freuding zeigt sich zuversichtlich, dass das Gesetz auch nach dem Regierungswechsel verabschiedet wird: “Wir arbeiten da auch mit Vollgas weiter. Alles, was wir unterhalb der Gesetzesschwelle an eigenen Organisationsmaßnahmen machen können, das läuft mit Hochdruck weiter, so dass wir dann sofort von der Rampe starten können, sobald die neue Bundesregierung gebildet ist. Und ich sehe für das Vorhaben auch einen breiten Konsens.”
Das vollständige Interview steht am Freitag, 15. November, ab 14.00 Uhr unter folgendem Link zur Verfügung: https://ots.de/O4zMst
Foto von Moritz Kindler auf Unsplash
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