Verbotene pro-palästinensische Demos: Erhebung liefert erstmals Zahlen
Hamburg (ots) – Seit dem Ausbruch des Israel-Gaza-Krieges gibt es in Deutschland eine Debatte über die Verhältnismäßigkeit von Verboten pro-palästinensischer Demonstrationen. Demonstrierende sehen ihre Grundrechte eingeschränkt und auch Staatsrechtler diskutieren solche Verbote. Allerdings stützt sich die Kritik bisher vor allem auf einzelne Fälle von verbotenen Demonstrationen.
Da es eine bundesweite Datenlage zum Versammlungsgeschehen bisher nicht gab, hat STRG_F nun mehr als 31.800 Versammlungsanmeldungen in ganz Deutschland ausgewertet. Diese Datenerhebung liefert erstmals umfassende Zahlen zu den kritisierten Verboten von pro-palästinensischen Demonstrationen.
Analyse der Versammlungen
Die Versammlungen, die STRG_F untersucht hat, fanden im Zeitraum von Oktober 2023 bis März 2024, also dem ersten halben Jahr nach Ausbruch des Israel-Gaza-Krieges, statt. 215 der Versammlungen, also weniger als ein Prozent, wurden behördlich untersagt. Rund 41 Prozent dieser untersagten Versammlungen hatten tatsächlich einen pro-palästinensischen Bezug. Damit waren Demonstrationen mit pro-palästinensischem Bezug die zweitgrößte Gruppe der untersagten Versammlungen.
Die Untersuchung zeigt zudem, dass mit einem Anteil von 52 Prozent die sogenannten Bauernproteste stärker von Versammlungsverboten betroffen waren. Die restlichen 7 Prozent der verbotenen Versammlungen konnten keinem einheitlichen thematischen Spektrum zugeordnet werden.
Bewertung der Ergebnisse
Hinsichtlich des Vorwurfs, pro-palästinensische Versammlungen würden unverhältnismäßig oft verboten, bewerten Staatsrechtler die Ergebnisse unterschiedlich. Für Clemens Arzt, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, deuten die Rechercheergebnisse in Verbindung mit aktueller Rechtsprechung darauf hin, dass nach den massiven Verboten in der Zeit der Corona-Pandemie der Wille zu Versammlungsverboten bei den Behörden nun wieder deutlich zugenommen habe, dabei hebt er insbesondere die Pro-Palästina-Demonstrationen hervor.
Für Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für Öffentliches Recht, sprechen die Zahlen hingegen „weitgehend dafür, dass das Konzept, Versammlungen anzumelden und damit eine Kontrolle zu ermöglichen, auch funktioniert.“
Datenlage
Für die Untersuchung konnte STRG_F aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg sowie den Stadtstaaten Hamburg und Berlin zentrale Daten zum Versammlungsgeschehen auswerten. Die Daten der übrigen Bundesländer wurden bei den jeweiligen Versammlungsbehörden auf kommunaler Ebene erfragt. Insgesamt konnte STRG_F schließlich die Angaben von rund 450 Behörden im gesamten Bundesgebiet auswerten, einige Behörden lieferten allerdings keine oder nur unvollständige Daten.
Die Datenerhebung konnte so zwar den Großteil aller Versammlungsanmeldungen erfassen, ist aber nicht vollständig. Von den ausgewerteten etwa 31.800 Versammlungen im Zeitraum von Oktober 2023 bis März 2024 wurden den Angaben der Behörden zufolge rund 215 verboten. 89 der verbotenen Versammlungen konnten einem pro-palästinensischem Hintergrund zugeordnet werden, während 112 Versammlungsverboten Aktionen im Rahmen der sogenannten Bauernproteste betrafen. Allein 103 davon sprach der Erzgebirgskreis aus. Dem lag eine Allgemeinverfügung zugrunde, um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die erwarteten Straßenblockaden zu verhindern.
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